Gemeinsame Erklärung von AMWA – EMWA – ISMPP zum Umgang mit Raubverlagen
Veröffentlicht im Juli 2019

Die American Medical Writers Association (AMWA), die European Medical Writers Association (EMWA) und die International Society for Medical Publication Professionals (ISMPP) sind sich der Herausforderungen bewusst, die sich für wissenschaftliches Publizieren durch die Existenz von Raubjournalen (Predatory Journals) und deren Verlage stellen. Letztere wenden Praktiken an, die die Qualität, Integrität und Zuverlässigkeit veröffentlichter wissenschaftlicher Forschungsergebnisse untergraben. Diese gemeinsame Erklärung ergänzt mehrere andere Richtlinien, mithilfe derer sich die Merkmale eines Raubjournals definieren lassen.1-5

Raubjournale stellen sowohl für Forscher, die die Ergebnisse ihrer Arbeit veröffentlichen, als auch für die von Experten geprüfte (Peer Review) medizinische Fachliteratur selbst eine ernsthafte Gefahr dar. Raubjournale unterscheiden sich von seriösen Open-Access-Journalen dadurch 6, dass sie das Peer-Review-Verfahren ausschließlich zum Zweck des finanziellen Vorteils bei kaum erkennbarem Interesse an ethischem Verhalten untergraben. 7

Organisationen wie die World Association of Medical Editors (WAME), das Committee on Publication Ethics (COPE), das International Committee of Medical Journal Editors (ICMJE) und der Council of Science Editors (CSE) unterstützen gute Publikationspraktiken (Good Publication Practices), die inzwischen allgemein anerkannt werden.6,8-10 Raubjournale halten sich nicht an diese Praktiken, sondern beuten stattdessen das Gold Open Access Publikationsmodell (für das Autoren eine Publikationsgebühr zahlen) aus.11 Um Einnahmen zu erzielen, stellen diese Journale das Vorgehen bei der redaktionellen Überarbeitung und dem Peer Review, sowie die Methoden des Journalbetriebs, die Kosten für die Bearbeitung der Artikel und die Verbreitung, Indexierung und Archivierung vorsätzlich falsch dar.1

Letztendlich wird die wissenschaftliche Literatur Schaden nehmen, wenn die Zahl der Raubverlage und Raubjournale weiter zunimmt. Seriöse, mit den besten Absichten betriebene Forschung könnte verloren gehen, wenn sie nicht dokumentiert, zitiert oder langfristig zugänglich gemacht wird. Es ist zu befürchten, dass die gesamte wissenschaftliche Dokumentation selbst Schaden nimmt.1 Gefahr besteht aber auch für die Autoren, deren Reputation infolge einer Veröffentlichung ihrer Arbeit in Raubjournalen oder einer unwissentlichen „Aufnahme“ in die Editorial Boards dieser Journale leiden kann. Autoren sitzen zudem unter Umständen in der Falle, wenn sie eine Arbeit bei einem Raubjournal eingereicht haben. Bestimmte Journale geben eingereichte Manuskripte mitunter nicht zurück oder veröffentlichen diese selbst dann, wenn der Autor einer Veröffentlichung widersprochen hat.

Durch die große Zunahme wissenschaftlicher Zeitschriften, einschließlich Raubjournalen,12 in den vergangenen 15 Jahren ist es schwierig geworden, Raub- oder „Pseudo“-Journale als solche zu erkennen. Um Autoren hierbei zu helfen, stehen Online-Werkzeuge zur Verfügung.1,8 Bestimmte Merkmale wurden als typisch für Raubjournale und Raubverlage definiert:

  • Verlage oder Journale, die mithilfe von E-Mails aggressiv um Forscher werben.
  • Der Titel des Journals klingt irgendwie vertraut — ist in Wirklichkeit aber die hinterhältige Imitation des Namens eines seriösen Journals.
  • Eine unprofessionell erscheinende Webseite mit schlechten Graphiken, fehlerhafter Sprache, toten Links und aggressiver Werbung.
  • Fehlende Anschrift und inländische Telefonnummer im Journal oder auf der Webseite des Verlages, oder die angegebene Anschrift/Telefonnummer ist fingiert.
  • Fehlende Indexierung in einer anerkannten Literaturdatenbank wie PubMed13 oder in einem seriösen Online-Verzeichnis wie z. B. dem Directory of Open Access Journals (DOAJ)14.
  • Unrealistisch schnelle Peer Reviews werden versprochen oder es fehlen Informationen über das vom Verlag durchgeführte Peer-Review-Verfahren.
  • Nicht transparente Kosten für die Erstellung der Publikation (die entweder sehr hoch oder sehr niedrig sein können) oder die bei Einreichung einer Arbeit zu bezahlen sind (d. h. unabhängig vom Ergebnis des Peer Review).
  • Vorgeblich breite Abdeckung zahlreicher medizinischer Fachgebiete oder zahlreicher Teilgebiete eines bestimmten Fachgebiets.
  • Eine große Anzahl von erst seit sehr kurzer Zeit erscheinenden Journalen und/oder von Journalen, die keine oder nur wenige veröffentlichte Artikel enthalten, die nicht zugänglich oder offensichtlich von schlechter Qualität sind.
  • Die Mitglieder des Editorial Board gehören einer anderen Fachrichtung an oder kommen nicht aus dem Land, in dem das Journal veröffentlicht wird, oder die Mitglieder des Editorial Board sind publikationserfahrenen Autoren in dem Fachgebiet unbekannt.
  • Ein Einreichungssystem, das allzu einfach ist, bei dem nur wenige Fragen gestellt werden und bei dem nicht nach der Qualifikation des Autoren oder einem möglichen Interessenkonflikt gefragt wird.

Anders als man es in jüngster Zeit beobachten konnte, sollten sich Autoren nicht bewusst für die Einreichung von Manuskripten bei einem Raubjournal entscheiden, um die Zahl ihrer Publikationen zu erhöhen.15,16 Die wissentliche und absichtliche Einreichung von Manuskripten bei Raubjournalen ist unethisch. Medical Writer und Redakteure wie auch Forscher sind verantwortlich dafür, die Integrität und den Hintergrund, die Praktiken und die Reputation von Journalen, bei denen sie Arbeiten zu ihren Forschungsergebnissen einreichen, zu beurteilen.8 Alle Autoren sind aufgefordert, den Ruf der Journale, bei denen sie ihre Arbeiten einreichen, mit gebührender Sorgfalt zu prüfen und ihre Arbeiten nur bei solchen Journalen einzureichen, die ein seriöses Peer Review sicherstellen und denen es ein ehrliches Anliegen ist, einen Beitrag zur wissenschaftlichen Literatur zu leisten.

Der wissenschaftlichen Gemeinschaft muss unmissverständlich klar gemacht werden, welchen Schaden das Publizieren in Raubjournalen anrichtet und wie man diesen vermeiden kann. AMWA, EMWA und ISMPP fühlen sich verpflichtet, ihre Mitglieder über Raubjournale und Raubverlage und über die Verantwortung von Medical Writern und allen an Publikationsprozessen Beteiligten beim Umgang mit diesem wichtigen Thema aufzuklären.

Literatur:

  1. Laine C, Winker MA. Identifying Predatory or Pseudo-Journals. World Association of Medical Editors. February 18, 2017. http://www.wame.org/identifying-predatory-or-pseudo-journals. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  2. Cabell’s Blacklist Violations. http://www2.cabells.com/blacklist-criteria. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  3. Cobey KD, Lalu MM, Skidmore B, Ahmadzai N, Grudniewicz A, Moher D. What is a predatory journal? A scoping review. Version 2. F1000Res. 2018;7:1001. DOI: 10.12688/f1000research.15256.2.
  4. Beall J. Predatory publishers are corrupting open access. Nature. 2012;489:179. DOI: 10.1038/489179a.
  5. Beall’s List of Predatory Publishers. http://openscience.ens.fr/ABOUT_OPEN_ACCESS/BLOGS/2017_01_23_Jeffrey_Beall_last_list_of_predatory_journals.pdf. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  6. Open Access Scholarly Publishers Association – Code of Conduct. https://oaspa.org/membership/code-of-conduct. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  7. International Committee of Medical Journal Editors. “Fake,” “Predatory,” and “Pseudo” Journals: Charlatans Threatening Trust in Science. http://www.icmje.org/news-and-editorials/fake_predatory_pseudo_journals_dec17.html. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  8. International Committee of Medical Journal Editors. Responsibilities in the Submission and Peer-Review Process. http://www.icmje.org/recommendations/browse/roles-and-responsibilities/responsibilities-in-the-submission-and-peer-peview-process.html. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  9. Council of Science Editors. Predatory or Deceptive Publishers – Recommendations for Caution. https://www.councilscienceeditors.org/resource-library/editorial-policies/cse-policies/approved-by-the-cse-board-of-directors/predatory-deceptive-publishers-recommendations-caution. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  10. Berger M. Everything You Ever Wanted to Know About Predatory Publishing but Were Afraid to Ask. http://www.ala.org/acrl/sites/ala.org.acrl/files/content/conferences/confsandpreconfs/2017/EverythingYouEverWantedtoKnowAboutPredatoryPublishing.pdf. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  11. Mizera K. What is Gold Open Access – useful links. https://openscience.com/what-is-gold-open-access/. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  12. Shen C, Bjork BC. 'Predatory' open access: a longitudinal study of article volumes and market characteristics. BMC Med. 2015;13:230. DOI: 10.1186/s12916-015-0469-2.
  13. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  14. Directory of Open Access Journals. https://doaj.org/. Aufgerufen am 18. Juni 2019.
  15. Moher D, Shamseer L, Cobey KD, et al. Stop this waste of people, animals and money. Nature 2017;549:23-25. DOI: 10.1038/549023a.
  16. Sharma H, Verma S. Predatory journals: the rise of worthless biomedical science. J Postgrad Med 2018;64:226-31. DOI: 10.4103/jpgm.JPGM_347_18.

Danksagung

Diese gemeinsame Erklärung wurde von Vertretern von AMWA, EMWA und ISMPP geprüft und freigegeben. Sie basiert auf der Arbeit der Mitglieder des Writing Committee (Barbara Good und Mary Kemper, AMWA; Slavka Baronikova und Julia Donnelly, EMWA; Jan Seal-Roberts und Donna Simcoe, ISMPP) und der Reviewer der einzelnen Organisationen (Shari Rager, AMWA; Tiziana von Bruchhausen und Beatrix Doerr, EMWA; Anna Geraci und Al Weigel, ISMPP).

Reference: American Medical Writers Association, European Medical Writers Association & International Society for Medical Publication Professionals (2019) AMWA–EMWA–ISMPP joint position statement on predatory publishing, Current Medical Research and Opinion, DOI: 10.1080/03007995.2019.1646535